Touchen oder Wischen – Mediennutzung von Mädchen und Jungen kinderleicht? 28.09.2017

Smartphone & Co – Kinderleicht? Fachtagung der Landesstelle Jugendschutz in Hannover zur Mediennutzung von Kindern

Hannover, 28.09.2017. Mit dem allgegenwärtigen Smartphone von Mama oder dem Tablet von Papa spielen – für viele Mädchen und Jungen ist das Alltag: Bereits 62 Prozent der Zwei- bis Dreijährigen nutzen ein bis zwei Mal pro Woche interaktive digitale Spiele. Bei den Vier- bis Fünfjährigen sind es schon 76 Prozent, wie eine 2015 veröffentlichte Basisuntersuchung zum Medienumgang in dieser Altersgruppe (miniKIM-Studie) zeigt. Die weit verbreitete Sorglosigkeit von Eltern und die vermeintlich kinderleichte Bedienung der mobilen Alleskönner täuschen darüber hinweg, dass Mädchen und Jungen Medienanfänger sind. Sie brauchen eine behutsame, altersgerechte Anleitung von Erwachsenen beim Einstieg in die digitale Welt. Das setzt vor allem einen bewussten Umgang mit Medien in Gegenwart von Kindern voraus. Darin waren sich die fast 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fachtagung „Touchen oder Wischen – Mediennutzung von Mädchen und Jungen kinderleicht?“ am Donnerstag einig. Eingeladen hatte die Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen (LJS).

Die hannoversche Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Cristiane Bockelmann schilderte, wie prägend die uneingeschränkte Erreichbarkeit der Bezugsperson(en) für die emotionale Sicherheit von Babys und Kleinkindern ist: „Die emotionale Bindung ist ein System, welches das Überleben sichert, weil die Bindungsperson automatisch reagiert.“ Eltern, die unablässig mit dem Smartphone hantieren, sind aber nicht erreichbar, können die Signale ihres Kindes nicht wahrnehmen und auch nicht prompt und angemessen darauf reagieren. Auf Dauer könne die grundsätzliche Nichtbeachtung der kindlichen Bedürfnisse zu frühen Störungen der Entwicklung führen, etwa zu einer verminderten Stresstoleranz oder zu ADHS, mahnt Bockelmann.

Prof. Dr. Tanja Witting von der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften (Wolfenbüttel) vermisst „belastbare Konzepte“ zur Medienerziehung in der frühen Kindheit. Anstatt Kleinkinder generell von digitalen Medien fernzuhalten, plädiert sie für eine altersgerechte Anleitung, Unterstützung und Begleitung durch Eltern und weitere Bezugspersonen. Die Bedienung von Tablets, Konsolen etc. sei weder „kinderleicht“ noch erschließe sich diese für Medieneinsteiger intuitiv, wie oft fälschlicherweise angenommen werde, berichtet Witting. Als Orientierungshilfe für die ersten Schritte in die digitale Welt empfiehlt die Medienpädagogin die Datenbank für werbefreie, altersgekennzeichnete „Kinder-Apps“, die das Deutsche Jugendinstitut (DJI) angelegt hat (www.dji.de/index.php?id=43348).

Zahlreiche Tipps für das „werbekompetente Kind“ hat die Frankfurter Diplom-Medienberaterin Vera Borngässer. Da es jüngeren Kindern noch schwer fällt, Werbung von redaktionellen Inhalten zu unterscheiden empfiehlt sie, dies an kommerziellen Angeboten wie www.spieleaffe.de oder www.toggo.de zu trainieren. So können Klicks auf kommerzielle und nicht altersadäquate Inhalte vermieden werden. Für die ersten digitalen Spielerlebnisse eigenen sich altersgerechte werbefreie Plattformen wie beispielsweise www.wdrmaus.de/spiel-und-spass, www.kika.de/spielen, www.blindekuh.de/spiele oder www.internet-abc.de. Grundsätzlich reduziert der Kauf kostenpflichtiger Spiele-Apps die Werbung. Empfehlenswerte, mitunter kostenpflichtige Spiele-Apps finden sich unter www.klicktipps.net/kinderapps.

Unter der Überschrift „Wenn Spielzeuge zu viel wissen“ warnt der IT-Sicherheitsexperte Stefan Hessel (Universität des Saarlandes) vor „smarten“ Lern- und Unterhaltungsspielzeugen, mit denen Kinder ausgeforscht, ihre Daten abgegriffen und die Einstellungen von Mädchen und Jungen beeinflusst werden können. Puppen wie „My friend Calya“, der  Spielzeugroboter „I-Que“ oder „My friend Freddy Bear“ haben nach Hessels Schilderung Sicherheitslücken durch offene Bluetooth-Schnittstellen. Über diese könne im Umkreis von etwa zehn Metern auf Mikrofone und Lautsprecher der Spielzeuge zugegriffen werden. Dadurch sei sogar eine direkte Kommunikation mit dem Kind möglich. Auch bei sogenannten Kinder-Tablets gebe es Sicherheitslücken. Hessel fordert eindeutige gesetzliche Regelungen für mehr ITSicherheit von Smart Toys, Lern- und Unterhaltungscomputern.

Eva Hanel, Referentin für Medienpädagogik bei der LJS, plädiert dafür, Kindern erst nach der Grundschulzeit die Nutzung eines Smartphones zu erlauben. Sie empfiehlt Eltern außerdem, auf allen digitalen Geräten, die einen Zugang zum Internet ermöglichen, sogenannte Jugendschutz-Einstellungen zu aktivieren. Wie das beispielsweise beim Smartphone eingerichtet werden kann, wird unter www.klicksafe.de erklärt.

Pressekontakt und Rückfragen: Tagungshandy 0176 – 98291197

Druckfähige Bildmotive zur honorarfreien Verwendung finden Sie hier (bitte Quelle nennen: Landesstelle für
Jugendschutz Niedersachsen): https://www.dropbox.com/sh/4r8ftdz0ga1crce/AAA4MZPg6IXDYQ02Eo_rZnm9a?dl=0

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