Umgang mit kindlicher Sexualität – Strategien für ein brisantes Thema im Kita-Alltag, 1.10.2019

PRESSEMITTEILUNG 

zur Fachtagung „Kindliche Sexualität“ der Landesstelle Jugendschutz (LJS) am heutigen Dienstag (01.10.2019) im Kulturzentrum Pavillon Hannover

LJS-Fachtagung „Kindliche Sexualität – zwischen Elternwille und Pädagogik“

Gesucht: Handlungsstrategien für ein brisantes Thema im Kita-Alltag

(Hannover, 1. Oktober 2019) Die Nachfrage ist groß, die Unsicherheit auch: Die Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen (LJS) hatte zur Fachtagung „Kindliche Sexualität – zwischen Elternwille und Pädagogik“ eingeladen. Gut 80 pädagogische Fachkräfte haben am Dienstag in Hannover mit Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis über den Umgang mit Sexualität in Einrichtungen für Kinder diskutiert. Fast ebenso viele Anmeldungen konnten nicht berücksichtigt werden. „Wir beobachten, dass sich Fachkräfte vermehrt Anregungen wünschen, um zeitgemäße Handlungsstrategien für den Kita-Alltag entwickeln zu können. Dabei geht es sowohl um konkrete Situationen im Umgang mit kindlicher Sexualität als auch um die Arbeit mit einer sehr heterogenen Elternschaft zu diesem Thema“, berichtet Tanja Opitz, Fachreferentin für Sexualpädagogik bei der LJS und Leiterin der Tagung.

Referent*innen der heutigen LJS-Fachtagung „Kindliche Sexualität – zwischen Elternwille und Pädagogik“ in Hannover (v. li.): Tanja Opitz, Torsten Linke, Prof. Dr. Sylvia Kägi, Jörg Nitschke (Foto: LJS)

Fehlende Aus- und Weiterbildungsangebote im Elementarbereich hätten zur Folge, dass Kindern in Tageseinrichtungen aus Unsicherheit oder Sorge oft wichtige Erfahrungen verwehrt werden. „Kinder haben das Recht, sich zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu entwickeln. Die Entwicklung einer selbstbestimmten Sexualität, eine selbstbewusste und positive Einstellung zum eigenen Körper gehören dazu. Dafür brauchen Kinder altersangemessene Begleitung und Hilfestellung sowohl von den Eltern als auch vom pädagogischen Fachpersonal in den Kindertagesstätten“, betonte Tanja Opitz am Dienstag.

Umgang mit kindlicher Sexualität ist umstritten wie nie
„Kinder sind sexuelle Wesen, dies wird heute allgemein anerkannt. Gleichzeitig ist die Auseinandersetzung um kindliche Sexualität und deren Begleitung umstritten wie nie. Eine aktive Beschäftigung mit dem Thema hilft einerseits, eigenen Ängsten und Unsicherheiten entgegen zu wirken und andererseits, sich Angriffen aus beispielsweise rechtspopulistischen oder fundamentalistisch-religiösen Kreisen fundiert entgegenzustellen“, sagte Jörg Nitschke, Dozent am Institut für Sexualpädagogik (isp, Dortmund). Der Erziehungswissenschaftler beleuchtete die psychosexuelle Entwicklung von Kindern sowie deren Sexualität im Unterschied zur der von Erwachsenen: „Die Betrachtung der Erwachsenen auf der Grundlage ihrer Vorstellungen von Sexualität führt oft erst zu Sexualisierungen kindlichen Spiels. Dies bedeutet nicht, dass keine Grenzverletzungen oder Übergriffe unter Kindern stattfinden. Eine differenzierte Herangehensweise hilft, eine harmlose Situation von einem Vorgehen mit Handlungsbedarf abzugrenzen.“ Nitschke wirbt dafür, das Thema „aktiv“ auf die Agenda der Kitas zu setzen, bestenfalls auf der Grundlage eines sexualpädagogischen Konzepts. Wenn dieses mit Angeboten für die Eltern versehen und auf deren Partizipation ausgerichtet werde, erzielten die Akteur*innen in der Einrichtung mehr Handlungssicherheit nach innen. Sie erarbeiteten sich zudem ein „wichtiges Handwerkszeug in stürmischen Zeiten“ und würden damit auch sicherer in der (sexual)-politischen Positionierung nach außen.

Eltern informieren und als zentrale Sexualerziehende stärken
Dass Eltern eine entscheidende Rolle für die sexuelle Bildung spielen, davon ist auch Torsten Linke überzeugt. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule Merseburg und forscht dort am Fachbereich Soziale Arbeit.Medien.Kultur u.a. zum Thema „Sexualität und Familie“. Grundlage für die professionelle (sozial-)pädagogische Arbeit sei, die Eltern als zentrale und wichtigste Sexualerzieher*innen, die jeweilige familiäre Sexualkultur und die vorhandene gesellschaftliche Pluralität von Familie grundsätzlich anzuerkennen. Dies müsse sich in der täglichen Arbeit und in den pädagogischen Konzepten wiederfinden. Fokussiert auf Sexualität, ergebe sich auch aus der gesetzlichen Situation eine Informationspflicht und die umfassende Einbindung der Eltern bei geplanten sexualpädagogischen Veranstaltungen. „Eine rechtzeitige Information und eine angemessene Transparenz etwa mit Blick auf die geplanten Inhalte, die methodische Umsetzung und die verwendeten Materialien können Befürchtungen der Eltern aufgreifen und diesen entgegenwirken“, betonte Linke. Er plädiert dafür, sexuelle Bildung mehr an die Eltern zu adressieren. Einerseits nehme dies Eltern und damit die Familie als Sozialisationsinstanz und deren Funktionen wie Aufgaben ernst; andererseits könne auf diese Weise gezielte Unterstützung zu sexuellen Themen, bspw. bei Fragen zur sexuellen Entwicklung von Kindern oder zum Umgang mit digitalen Medien, angeboten werden.

„Igitt, wie schön“
Unter dieser Überschrift stellte Prof. Dr. Sylvia Kägi Strategien vor, wie sexualpädagogischen Herausforderungen im Alltag einer Kindertageseinrichtung begegnet werden können. Die Professorin für Pädagogik der Kindheit und Leiterin des BA-Studiengangs Bildung und Erziehung im Kindesalter an der Fachhochschule Kiel erprobt entsprechende Konzepte in Kindertagesstätten. Nach ihrer Erfahrung sind sexuelle Themen fester Bestandteil in den Einrichtungen. „Der Umgang und die Vielfalt der Themen scheinen dagegen wenig präsent zu sein und stellen Fachkräfte vor große Herausforderungen“, betonte Kägi. Gemeinsam mit den Teilnehmenden der LJS-Fachtagung erarbeitete die Professorin Anforderungen an eine zeitgemäße Sexualpädagogik in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe.


Bildmotive von der Fachtagung zur anlassbezogenen honorarfreien Verwendung bei Quellennennung (Foto: LJS), den LJS-Flyer „Elterninfo Sexualität“, Artikel „Mit Kindern über Sexualität reden?“ der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Landesstelle NRW e.V. AJS, 2018) sowie die Pressetexte zur Fachtagung finden Sie in dieser Dropbox:
https://www.dropbox.com/sh/67v29is176vsj39/AABgL30TFq80oQj9a8Kc6B-Aa?dl=0

Mehr Information
https://www.jugendschutz-niedersachsen.de/aids-sex/

Medienkontakt
Tanja Opitz, Referentin für Sexualpädagogik der Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen (LJS), T: 0511 858788, tanja.opitz@jugendschutz-niedersachsen.de