Jugendschutz & sexuelle Gesundheit

Jugendsexualität heute

Jugendliche brauchen informierte erwachsene Bezugspersonen, die mit ihnen über körperliches Wohlbefinden und sexuelle Identitätsentwicklung ebenso sprechen, wie über riskantes Sexualverhalten und Verhütungsmöglichkeiten.

Das Sprechen über diese Themen fällt pädagogischen Fachkräften nicht immer leicht: Fundiertes Wissen und eine reflektierte Haltung dazu helfen, sich im Vorfeld darüber bewusst zu werden, welche Themen wie besprochen werden können.

Mit dieser Webseite möchten wir pädagogischen Fachkräften grundlegende Informationen und Anregungen geben, um Jugendliche bei den entwicklungsbedingten Herausforderungen begleiten zu können.

Informationen für pädagogische Fachkräfte | Jugendschutz & sexuelle Gesundheit

Jugendliche zu befähigen, sich vor gefährdenden Einflüssen zu schützen und sie in ihrer Kritik- und Entscheidungsfähigkeit sowie Eigenverantwortlichkeit zu fördern.

 
§ 14 Erzieherischer Jugendschutz, Sozialgesetzbuch VIII

Kinder und Jugendliche haben das Recht, sich zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu entwickeln. Dazu gehört eine selbstbestimmte Sexualität und eine selbstbewusste und positive Einstellung zu sich selbst und dem eigenen Körper.

Der Begriff „Sexualität bezieht sich auf einen zentralen Aspekt des Menschseins über die gesamte Lebensspanne hinweg, der das biologische Geschlecht, die Geschlechtsidentität, die Geschlechtsrolle, sexuelle Orientierung, Lust, Erotik, Intimität und Fortpflanzung einschließt“ (aus „Standards für die Sexualaufklärung in Europa“, WHO-Regionalbüro für Europa und BZgA) und meint somit mehr als den Geschlechtsverkehr.

Mädchen und Jungen beschäftigen sich besonders in der Pubertät mit ihrer sexuellen Identität. In dieser Phase brauchen sie Orientierung, Informationen und Ansprechpersonen, die die gesunde Entwicklung befördern und unterstützen.

Sexuelle Gesundheit meint mehr als die Abwesenheit von Krankheit

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschreibt sexuelle Gesundheit mit folgenden Punkten:

  • Eine Umgebung, die Menschen den uneingeschränkten Genuss ihrer Sexualität als Potenzial ihrer selbst ermöglicht.
  • Freiheit von sexuellem Zwang, Missbrauch und sexueller Gewalt.
  • Schutz vor Gesundheitsproblemen im Zusammenhang mit dem Sexualleben und entsprechende Behandlung derselben.

Damit wird deutlich, dass es hier um mehr als die Abwesenheit von Krankheit geht, sondern um eine umfassende sexuelle Gesundheit, die untrennbar mit Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität insgesamt verbunden ist. Dazu zählen angenehme und sichere sexuelle Erfahrungen sowie eine grundsätzlich positive und respektvolle Haltung zu Sexualität. Die Entwicklung und Entfaltung der eigenen Sexualität frei von Zwang und Gewalt ist ein grundlegender Baustein der Identitätsentwicklung allgemein und gerade im Jugendalter ein zentrales Thema. Der Zugang zu Informationen und Beratung ist für diese Entwicklung unabdingbar.

Jugendsexualität heute

Ein Großteil der Jugend ist über sexuelle Themen gut informiert und geht verantwortungsbewusst mit sich und anderen um. Das zeigen aktuelle Studien, aber auch die Erfahrungen aus der praktischen pädagogischen Arbeit. Das wiederum kann durchaus als Erfolg von Aufklärung und Prävention gewertet werden: Der Blick auf Sexualität hat sich geändert, Eltern und Schule nehmen ihren Aufklärungsauftrag wahr und Sexualpädagogik hat sich als Teil der pädagogischen Arbeit etabliert, sodass Mädchen und Jungen mittlerweile deutlich mehr Ansprechpersonen im Umfeld zur Verfügung haben, die sie bei Bedarf fragen können. Hinzu kommen Aufklärungskampagnen – wie beispielsweise Plakataktionen und die JugendFilmTage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)  – sowie externe Fachkräfte aus Beratungs- oder Fachstellen, die projektbezogen Informationen vermitteln.

Der Schutzgedanke steht bei vielen dieser Aufklärungsangebote traditionell im Vordergrund: Daten und Fakten zur körperlichen Entwicklung, Verhütung vor ungewollter Schwangerschaft und vor sexuell übertragbaren Infektionen sowie die Prävention sexueller Gewalt. Diese Informationen sind deutschlandweit abrufbar. Es gibt aber Fragen, die Jugendliche eher mit Freunden als mit erwachsenen Bezugspersonen diskutieren oder deren Antworten sie lieber online recherchieren.

Sexuelle Entwicklungsaufgaben im Jugendalter

Wer bin ich? Wer will ich sein?“ sind die grundlegende Fragen, mit denen sich Jugendliche beschäftigen – und die auch die sexuelle Entwicklung und Identität betreffen.

So setzen sich Jugendliche unter anderem mit dem eigenen Körperbild und den Rollenerwartungen ebenso auseinander, wie mit sexuellem Begehren, Attraktivität und der Integration von Sexualität in einer Liebesbeziehung. Dieses geschieht im Abgleich mit bereits gemachten Erfahrungen, den Sicht- und Verhaltensweisen der Peer-Group sowie den Vorbildern aus dem Umfeld und den Medien. Das eigene Verhalten wird vor dem Hintergrund kritisch hinterfragt und durch das Feedback anderer gegebenenfalls verstärkt oder verändert und so die sexuelle Identität weiter ausgebildet.

Sexualität von Jugendlichen bedeutet auch

Jugendliche geben sich oft wissend und selbstsicher, obwohl sie es (noch) nicht sind. Gerade in Bezug auf das Thema Sexualität und vor dem Hintergrund einer noch nicht gefestigten Identität, haben sie viele Fragen und sind oftmals unsicher …

Thematisierung sexuell übertragbare Krankheiten | Jugendschutz & sexuelle Gesundheit

Sexuelle Gesundheit meint mehr als die Abwesenheit von Krankheit

Die Thematisierung von sexuell übertragbaren Infektionen, HIV und Aids ist ein grundlegender Baustein sexueller Gesundheit und somit der sexualpädagogischen Arbeit. Gerade in Bezug auf HIV und Aids existieren weiterhin Unsicherheiten und Fehlinformationen über die Ansteckungsgefahr und die Konsequenzen einer Infektion. Es ist wichtig, dass informierte Erwachsene die Wissenslücken schließen und mit Mädchen und Jungen auch über riskantes Verhalten sprechen. Dieses Wissen um Übertragungswege und Schutzmaßnahmen hilft, sich und andere zu schützen.

Im Kontext der Förderung sexueller Gesundheit wird aber auch deutlich, dass es mehr braucht: Homophobe Sprüche, sexistische Beleidigungen oder der Druck, bestimmten Normen oder Erwartungen entsprechen zu müssen, sind an vielen Orten an der Tagesordnung, an denen sich Jugendliche aufhalten. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität wird erschwert, wenn die Meinungen anderer zum Maßstab werden oder aber die persönlichen Rechte immer wieder, aber ohne Konsequenzen verletzt werden. Hier sind erwachsene Bezugspersonen gefragt, die neben fundiertem Wissen auch über eine reflektierte Haltung verfügen sollten, um Jugendliche zu unterstützen.

Tanja Opitz

Tanja Opitz

Die Autorin

Fachreferentin im Bereich Sexualität
Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen